Vorwort von
Carlos A. Gebauer

Geld ist aus dem arbeitsteiligen Leben einer menschlichen Gesellschaft nicht wegzudenken. Geld ist allgegenwärtig. Sofern es einmal an seiner tatsächlichen Gegenwart fehlt, wird es ersatzweise sofort gedanklich präsent. Denn es gilt das ungeschriebene Gesetz: „Geld hat man zu haben!“ Fehlt Geld oder droht es auszugehen, richtet sich das Bewusstsein regelhaft schnell darauf, wieder welches herbeizuschaffen. Geld, sagen die einen, mache nicht glücklich, aber es beruhige. Geld, sagen die anderen, sei ein Fluch. Denn verfüge man über zu viel davon und wisse das die Welt, sei es um die Ruhe geschehen: Alle Welt wolle dann plötzlich nur noch an diesem Überfluss teilhaben.

Geld ist demgemäß ein zwischenmenschliches Phänomen. Dem einzelnen Bewohner einer einsamen Insel bedeutet Geld nichts. Erst wenn ein zweiter, dritter, vierter … Teilnehmer auf die Weltbühne tritt, erwacht das Phänomen „Geld“ plötzlich zu einer gesellschafts-gestaltenden Kraft. Sein Besitz oder auch nur die vorgestellte Möglichkeit, es künftig innezuhaben, wirken plötzlich als ein Motivator für menschliche Verhaltensweisen. Herr A hätte sich nie mitten in der Nacht aus dem Bett gequält und wäre mit seinem eiskalten Auto durch einen tobenden Schneesturm gefahren, würde Herr B ihn nicht für eine Abholung zu dieser unwirtlichen Stunde zu bezahlen angekündigt haben. Herrn B umgekehrt wäre nie möglich geworden, Frau C in ihrem Krankenbett zu erreichen, würde Herr A ihn nicht zu ihr gebracht haben, wo er als deren Arzt auch jenen Betrag verdienen konnte, den er brauchte, um den Transport zu vergüten.

Geld ist, wie man es insoweit nennt, ein Umlaufmittel. Indem es von einem Menschen zum anderen fließt, verbindet es einzelne Handlungen unterschiedlichster Akteure. Ihr Tun, ja selbst nur ihre Ideen, können sich miteinander verbinden und Neues entstehen lassen. Eine Banknote oder eine Münze wirken dabei zwischen mehreren Menschen wie ein Katalysator zwischen mehreren Chemikalien: Das ganze Umfeld ändert sich und wird neu – nur das Geld hat sich nicht verändert. Der Geldschein oder das Stück Metall sind nach wie vor dieselben Gegenstände. Nur ihr Besitzer hat vorübergehend gewechselt.

Geld ist in seinen kommunikationsgestaltenden und interaktions-prägenden Dimensionen längst zu einem lebenswichtigen Vermittler jedweder Energieströme inmitten industrialisierter Gemeinschaften geworden. Hochentwickelte Industriegesellschaften gerieten umgehend in ein Chaos aus fehlender Arbeitskoordination, würde ihnen die Möglichkeit genommen, intersubjektiv mit ihrem Geld als einer eigenen Sprache zu kooperieren.

Jedwede Handlungsabstimmung aller unterschiedlich ausgebildeten und je verschieden ergebnisorientierten Individuen wäre verunmöglicht, fehlte es an der Möglichkeit, einander Botschaften mittels Geld zu senden.

Das Zahlungsmittel ist ein Umlaufmittel, weil es zwischen einzelnen Beteiligten vermittelt: Wie ein kleiner Götterbote Hermes läuft es zwischen Käufern und Verkäufern, Produzenten und Konsumenten, Zulieferern und Abnehmern herum – immer ist es in ihrer Mitte. Und aus dieser Mitte heraus verbindet es die unterschiedlichsten Menschen. Indem es mit dem Zins sogar einen Preis für das Geld in der Zeit gibt, überwindet dieser Mittler sogar die Grenzen zwischen Menschen über die Gegenwart hinaus.

Geld ist jenseits primitiver Subsistenzwirtschaften für Menschen längst überlebenswichtig. Kein Dorf, keine Stadt, erst recht kein Welthandel wäre funktionsfähig, gäbe es nicht ein verlässliches Umlaufmittel, das hilft, die Handlungen aller Beteiligten zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. Diese elementar vitale Bedeutung des Geldes führt zu zwei erstaunlichen Erkenntnissen: Zum einen wird über das Geld als Phänomen menschlicher Existenzbedingung im Alltag praktisch kaum vertieft nachgedacht. Nur an der Oberfläche wird es für nötig erachtet und weidlich genutzt. Seine intellektuellen Grundlagen indes, die Frage, was es in seinem tiefsten Inneren denn eigentlich sei, wird kaum bis nie erörtert. Menschen nutzen Geldscheine täglich, sehen sie aber nie an. Die Frage, woher diese Banknote stammt, warum eine bestimmte Zahl auf ihre Oberfläche gedruckt wurde oder warum genau streng verboten ist, sie nachzumachen, kann kaum ein Geldnutzer spontan relevant beantworten.

Erst recht herrscht völliges Schweigen, fragt man die Beteiligten an einer Ladentheke, was gerade geschehen ist, wenn ein Kunde sein Mobiltelefon kontaktlos vor ein Lesegerät gehalten hat. Neben diese Erkenntnis der Gedankenlosigkeit in der Nutzung von Geld tritt die Erkenntnis seiner politischen Manipulationsanfälligkeit. Das segenbringende Umlaufmittel, das zwischenmenschliche Kooperation allgegenwärtig ermöglicht wie die Luft das Atmen, ist von einigen, die zugleich seine Relevanz und das weitverbreitete Unwissen über seine Funktionen erkannt haben, pfiffig zu eigenen Machtzwecken instrumentalisiert worden.

Geld ist nach allem nicht ein nur neutral Arbeitsteilung ermöglichendes Medium. Es ist wohl seit jeher immer auch ein zur Gesellschaftssteuerung – und zum gleichzeitig eigenen Vorteil der jeweiligen Geldemittenten – genutztes Instrument. Die wirklichen (und die eingebildeten) Experten des Geldmarktes nutzen den eigenen Vorteil aus der weitverbreiteten Ignoranz des Publikums. Und sie vermögen dabei regelmäßig üppige Gewinne zu verbuchen.

Was ihnen hilft, das Unwissen der Allgemeinheit aufrecht zu erhalten, ist – neben der dafür grundlegend selbstverschuldeten Trägheit, für die jeder Geldnutzer selbstredend persönlich verantwortlich ist – die Stiftung eines sagenhaft unübersichtlichen Währungssystems. Kaum löst sich der Normalverbraucher von der Betrachtung einer Münze, eines Geldscheines oder eines nominalen Kontoauszuges, versinkt seine Lektüre in dem unverständlichsten Vokabular einer finanzwissenschaftlichen Sondersprache. Dass ein „Kontokorrent“ nichts anderes heißt als das Umherlaufen von Zahlen, dass „Giro“ ein Kreislauf und dass selbst eine „Annuität“ kein hyperkomplexes Geheimzeichen ist, wird dem verunklarten Sparer ebenso wenig erläutert wie der Unterschied zwischen Geldmengen und ihre Bedeutung für den eigenen Lebensstandard als Frührentner. Wetten, dass die meisten Menschen, die „Currency“ sagen, nicht einmal wissen, eigentlich von einem Herumrennen zu sprechen?

Geld ist in unserer Gegenwart zu einem Faktor schwerer gesellschaftlicher und politischer Turbulenzen geworden. Seine faktisch völlige Ablösung von realen Gegenständen seit mehr als einem halben Jahrhundert, seine Inflationierung und – in weiterer Steigerung – seine Digitalisierung haben inzwischen weltweit zu einem Zustand größter Nervosität geführt. Manche internationale Konflikte, viele an der Oberfläche als irrational erscheinende Nachrichten, großpolitische Weichenstellungen und nicht zuletzt das ständige Steigen aller Preise im Alltag – alle diese Phänomene haben oft eine gemeinsame Ursache in schlechter, entgleister, unbeherrschter oder schlicht unaufrichtiger Geldpolitik.

Wer den Versuch unternehmen will, in den Mühlsteinen des undurchsichtigen Geldsystems nicht gleich zermahlen zu werden, sondern sich trotz der mannigfaltigen Unwägbarkeiten eine Chance auf auch künftige eigene Liquidität und ökonomische Kooperationsfähigkeit aufrechtzuerhalten, der ist bestens beraten, sich mit der Hilfe von Benjamin Mudlack kundig in dieses thematisch ebenso herausfordernde wie verwirrende Höhlensystem einführen zu lassen. Mit großer Sachkunde, konsequenter Wahrheitsliebe, mit emsiger Detailarbeit und unermüdlichem Erklärungswillen stellt er uns in seinem nun schon zweiten Werk zum Thema schonungslos die unglaublichsten Zusammenhänge dar.

Ich habe die Hoffnung, dass der Kreis der an einem guten Geldsystem Interessierten mit diesem Buch weiter wächst. Möge eine kritische Menge von Bürgern entstehen, die ein werthaltiges, ein verlässliches und gegen illegitime Manipulationen geschütztes Geldsystem einfordert. Die akademischen, philosophischen und fachlichen Grundlagen hierfür sind weithin ausgearbeitet. Es kommt nur noch darauf an, die Konzepte Realität werden zu lassen.

Im besten Falle können Geldeinheiten innerhalb eines stabilen Währungsrahmens dann wieder substanziell zwischen den Geldnutzern umherlaufen und allen dienen, statt nur – wie leider derzeit – die digitalisierte fiat-money-Illusion tatsächlicher Werte zirkulieren zu lassen.

Carlos A. Gebauer
Düsseldorf, im September 2024

Carlos A. Gebauer studierte Philosophie, Neuere Geschichte, Sprach-, Rechts- und Musikwissenschaften. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in Düsseldorf ist er Publizist, stellvertretender Vorsitzender des Zweiten Senates beim Anwaltsgerichtshof NRW und stellvertretender Vorsitzender der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.